Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus

Typ: Artikel

Guten Tag und Schalom,

herzlich willkommen! Schön, dass Sie sich für meine Webseite interessieren. Sie finden hier aktuelle Informationen und Hintergründe über die Bekämpfung von Antisemitismus, jüdisches Leben in Deutschland und meine Arbeit als Beauftragter der Bundesregierung. In diesem Amt sehe ich es mit Freude, dass sich in unserem Land nach der Shoah und nach den Verbrechen des Nationalsozialismus wieder vielfältiges, buntes und selbstbewusstes jüdisches Leben entwickelt hat. Dies ist auch ein Zeichen der Stärke unserer lebendigen Demokratie.

Zugleich sind die Auswirkungen des Nationalsozialismus weiter spürbar und haben Einfluss auf die Gegenwart. Sie sind bis heute Teil unserer Realität. Alle, die in Deutschland leben, tragen eine Verantwortung für die Erinnerung daran und sind durch die Geschichte gefordert. Nur eine Gesellschaft, die eine schonungslose Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit zulässt, ist stark. Es bleibt eine fortwährende und immer wieder neue Aufgabe, den Antisemitismus zu bekämpfen. Denn Antisemitismus, also der Hass gegen Juden, wendet sich nicht nur gegen jüdische Menschen. Er ist Ausdruck einer zutiefst demokratiefeindlichen Haltung und lehnt die Errungenschaften unserer modernen, freiheitlichen Gesellschaft ab. Unabhängig von Religion, Herkunft, Staatsangehörigkeit und politischer Überzeugung sind die in Deutschland lebenden Menschen Träger der verfassungsrechtlich verankerten Grundrechte. Diese versichern die Unantastbarkeit der Würde eines jeden Menschen. Wir tragen in dieser Gesellschaft alle die Verantwortung dafür, jeder Form von Antisemitismus, gleich welcher Prägung, entschieden entgegenzutreten. Antisemitismus zu bekämpfen heißt, die Werte zu verteidigen, die einem friedvollen und gedeihlichem Zusammenleben zugrunde liegen.

Mein Hauptanliegen ist es – und dabei finde ich glücklicherweise immer mehr Unterstützung – die Gesellschaft zu sensibilisieren und zu ermutigen, sich gegen Antisemitismus zu engagieren und gerade die eher Schweigenden im Land zu gewinnen, sich auch zu Wort zu melden, wenn es geboten ist. Antisemitische Täter, die eine Minderheit darstellen, müssen wissen, dass sie nicht auf eine schweigende Mehrheit in der Bevölkerung setzen können. Sie müssen wissen, dass ihr Handeln geächtet wird und Hetze und Hass gegen Juden eben keine freie Meinungsäußerung sind, genauso wie andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

Wir haben es heute mit einem neu erstarkten Antisemitismus zu tun. In Deutschland werden Juden oder als Jüdinnen und Juden wahrgenommene Menschen heute auf offener Straße beschimpft, bespuckt und bedroht oder es wird in den sozialen Medien völlig enthemmt gegen sie agitiert. Die öffentliche Wahrnehmung von Antisemitismus ist so deutlich, Judenfeindlichkeit ist so sichtbar geworden, dass sie nach neuen Strategien zur Bekämpfung verlangt.

Die Schaffung meines Amtes markiert mithin einen Wendepunkt. Der Deutsche Bundestag hat am 18. Januar 2018 mit großer Mehrheit einen Antrag zum wirkungsvolleren Kampf gegen Antisemitismus beschlossen und darin jede Form von Judenfeindlichkeit verurteilt.

Seit der Einrichtung meines Amtes haben wir schon viel erreicht. Doch zeigt der schreckliche Anschlag von Halle vom 9. Oktober 2019, bei dem am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur zwei Menschen getötet wurden und 52 weitere in der Synagoge nur knapp dem Tode entgingen, dass wir unsere Bemühungen noch verstärken müssen! Dabei ist es wesentlich, eine gute Kombination von repressiven und präventiven Maßnahmen zu finden. Ein sehr wichtiges Instrument ist dabei die Nationale Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben (NASAS) (PDF, 610KB, Datei ist barrierefrei⁄barrierearm), mit der die Bundesregierung unter meiner Federführung erstmals eine Strategie vorgelegt hat, die ausschließlich die Bekämpfung von Antisemitismus und die Förderung jüdischen Lebens im Fokus hat.

Ich setze mich dafür ein, die Aktivitäten zur Bekämpfung antisemitischer Entwicklungen noch besser zu verzahnen. Es gibt ein großes Engagement in unserem Land. Die Arbeit der „Gemeinsamen Bund-Länder-Kommission zur Bekämpfung von Antisemitismus und zum Schutz jüdischen Lebens" ist dabei ein wichtiger Baustein. In der Kommission werden die Länder durch ihre Landes-Antisemitismusbeauftragten vertreten. Das Gremium steht unter dem gemeinsamen Vorsitz von mir und einem wechselnden Co-Vorsitz eines Bundeslandes. Bereits 15 Bundesländer haben inzwischen Antisemitismusbeauftragte berufen – oder haben dies angekündigt. Darüber bin ich sehr froh, weil man Antisemitismus nicht zentralistisch aus Berlin bekämpfen kann. Es bedarf dafür des Schulterschlusses mit den Ländern, in deren Zuständigkeit rund 80 Prozent der Handlungsfelder liegen. Ob Bildung, Polizei, Strafverfolgung oder Strafvollzug: All das passiert in den Ländern, die nun miteinander und mit dem Bund ein starkes Netzwerk gegen Antisemitismus bilden.

Wichtig ist mir auch, dass das Wissen über jüdisches Leben in Deutschland vergrößert wird. Jüdisches Leben ist seit mehr als 1700 Jahren bei uns verwurzelt. Die beeindruckenden Spuren von jüdischem Leben in Deutschland in Wissenschaft, Medizin, Literatur, Musik und Kunst bleiben zu oft unerwähnt oder gar unbekannt. Verstehen Sie daher diese Internetseite als Ermutigung. Als Ermutigung, sich für jüdisches Leben zu interessieren. Kontakt zu suchen. Nachzulesen. Und die Stimme zu erheben gegen Judenhass – und für unsere demokratische Gesellschaft.

Herzlich, Ihr

Unterschrift von Dr. Felix Klein