Felix Klein: "Hoffe, dass von dem Verfahren eine gesellschaftliche Debatte ausgeht"
Pressemitteilung 17.07.2020
Der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, äußert sich anlässlich des Prozessauftaktes gegen den Attentäter von Halle vor dem OLG Naumburg:
"Der Versuch eines Massenmordes an Juden an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, in Halle im Oktober vergangenen Jahres markiert eine neue Dimension von Antisemitismus in Deutschland. Etliche Menschen sollten nach dem Willen des Täters sterben, zwei Menschen haben bei diesem entsetzlichen Verbrechen den Tod gefunden – ermordet von dem Mann, der sich ab Dienstag vor Gericht verantworten muss.
Die Bedeutung des Verfahrens vor dem OLG Naumburg geht aus meiner Sicht weit über die Frage nach der Schuld des Täters hinaus. Ich erhoffe mir, dass von dem Verfahren ein Funke ausgeht, der eine gesellschaftliche Debatte entzündet, in der die Frage nach den Hintergründen aufgeworfen wird und der in der Gesellschaft latent vorhandene Antisemitismus beleuchtet wird. Eine solche Debatte ist längst überfällig.
Die Bundesregierung hat unmittelbar nach dem Anschlag reagiert und ein Maßnahmenpaket verabschiedet, das nun sukzessive umgesetzt wird. Gerade diesen Monat wurde ein Gesetz gebilligt, das neue Regeln und Strafverschärfungen gegen Hasskriminalität im Netz vorsieht, etwa bei Morddrohungen in Sozialen Medien, Gewalt gegen Beschäftigte in Rettungsstellen oder antisemitisch motivierten Straftaten. Auch Anbieter großer Sozialer Netzwerke erhalten neue Pflichten. Ich begrüße das sehr. Auch wird die Bundesregierung einen deutlich verbesserten Schutz jüdischer Einrichtungen unterstützen. Der Kabinettsausschuss zu Rechtsextremismus und Rassismus, der bereits einmal getagt hat, befasst sich ebenfalls intensiv. Ich selbst bin dauerhafter Gast und unterstütze die Arbeit des Ausschusses.
Betonen möchte ich allerdings eines: Der Staat kann vieles tun – und er hat bereits vieles auf den Weg gebracht. Auch Prävention ist dabei ein wesentlicher Aspekt. Aber all das allein kann niemals ausreichen. Mehr denn je brauchen wir eine wachsame Zivilgesellschaft, um Extremismus in jedweder Form Einhalt zu bieten. Der Prozess in Naumburg führt hier vor Augen, wie schnell jemand mit extremistischer Gesinnung sich im Internet radikalisieren und aus Worten terroristische Taten werden können, die sich gegen die gesamte Gesellschaft richten."