IHRA-Definition

Typ: Artikel

Um Antisemitismus früh erkennen und so besser bekämpfen zu können, ist es wichtig, die Gesellschaft und staatliche Organe dafür zu sensibilisieren, was als Meinungsäußerung toleriert werden kann und wo die Grenze zu Antisemitismus überschritten wird. Insbesondere die Abgrenzung von zulässiger Kritik am Handeln der israelischen Regierung und israelbezogenem Antisemitismus scheint im Alltag manchmal unklar zu sein. Die von der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken verabschiedete internationale Arbeitsdefinition von Antisemitismus liefert hier eine wertvolle Orientierung und ist nützliches Instrument bei der Einordnung von Fällen.

Die internationale Arbeitsdefinition von Antisemitismus lautet:

"Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen."

Die Bundesregierung hat außerdem folgende Erweiterung verabschiedet:

"Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein."

Im Mai 2016 verabschiedete das Plenum der IHRA diese Arbeitsdefinition auf eine deutsch-rumänische Initiative hin in Bukarest . Die Formulierung beruht auf einer internen Definition, die von der Vorgängerorganisation der Europäischen Grundrechteagentur (Fundamental Rights Agency, FRA) 2004 erarbeitet wurde, um einen europaweiten Standard für das Monitoring von Antisemitismus im Rahmen der Arbeit der FRA zu finden. Die Definition hat keine rechtliche Bindungskraft. Ihre Beachtung leistet aber einen Beitrag dafür, zu dokumentieren, dass sich Deutschland nach innen wie nach außen für eine differenzierte Sichtweise und Bekämpfung des Phänomens Antisemitismus einsetzt. Sie wurde von der Bundesregierung am 20. September 2017 durch Kabinettbeschluss in vorstehender Form verabschiedet und in Umlauf gebracht. Damit hat die Bundesregierung die Grundlage für ein gemeinsames Verständnis von Antisemitismus auf nationaler Ebene gelegt. Auch für den Beauftragten der Bundesregierung ist sie handlungsleitend.

In Deutschland wird sie in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens, zumindest auf Bundesebene, bereits angewandt:

  • bei themenbezogenen Veranstaltungen und Publikationen der Bundeszentrale für politische Bildung,
  • von Gedenkstätten, Dokumentationszentren und Geschichtsmuseen in entsprechenden Kontexten,
  • als handlungsleitend für die Weiterentwicklung des Programms "Demokratie leben" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
  • als Teil der Antisemitismusseminare im Rahmen der Ausbildung bei den Bundessicherheitsbehörden, also den deutschen Nachrichtendiensten, dem Bundeskriminalamt und der Bundespolizei.

Besonders in den Bereichen Bildung, Justiz, Polizei und Schule müssen verlässliche Strukturen geschaffen werden, über die solches Wissen vermittelt und weitergegeben wird. Dabei helfen auch die der IHRA-Definition beigefügten Beispiele dabei, antisemitische Muster in ihren vielfältigen Ausprägungen zuverlässiger herausarbeiten und analysieren zu können. Die Anwendungsbeispiele sind integraler Bestandteil bei der Implementierung der IHRA-Definition.
Deutschland setzt sich auch dafür ein, dass andere internationale Organisationen und Gremien die Definition zur Grundlage ihrer Arbeit machen. Die Vermittlung von Wissen über Antisemitismus bleibt sowohl national wie auch international eine Daueraufgabe.